Wühlmäuse - Eine Familie im Portrait
- annabentele
- 14. Juli 2022
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Aug. 2022
Wer kennt sie nicht die Wühlmäuse? Unbeliebte Nachbarn, Plagegeister, ja sogar so ungern gesehen, dass man selbst bei einer einfachen Internetrecherche zuerst mit zahlreichen Bekämpfungsmethoden beraten wird, bevor man sich überhaupt allgemein mit Ihnen auseinandersetzen kann. Wieso also nicht auf einer frischen Seite neu anfangen?

Ja, sie ist groß die Familie der Wühlmäuse. Über Existenzrecht und Beliebtheit wird allerdings vielerorts kontrovers diskutiert.
Wühlmäuse lieben leichte bis mittelschwere Böden, in die sie ihr Gangwerk eingraben können. Ihre Vorliebe: Löss. Die Erdhaufen haben dabei eine flache, eher längliche Form und sind mit Gras oder Wurzeln durchzogen. Hierdurch besteht oft Verwechslungsgefahr zum Maulwurf, welcher in regelmäßigen Abständen größere und rundlichere Haufen produziert.
Eine Familie mit vielen Mitgliedern
Wer sich mit Wühlmäusen einmal ernsthaft auseinandersetzt stellt schnell fest, dass hier nicht nur von einer Art die Rede ist. Es gibt nicht nur diese eine Sorte Maus, die man Wühlmaus schimpft. Geschockt? Bitte nicht. Zunächst haben wir es hier mit einer Variation an diversen Tierchen zu tun, die in aller Regel gern durch die Erde wühlen und sich genauso wie wir, von verschiedenen Dingen ernähren. Nun ja, der Mensch ist nicht immer ein guter Tischgesell und kommt auch nicht immer gut mit frechen Tischgästen zurecht. Nun ja... Zeit sich besser kennenzulernen.
Schermäuse
Wissenschaftlich auch bekannt als Arvicola spp., finden wir in unserer Heimat vor allem die Osterschermaus (Arvicola terrestris) und die Gebirgsschermaus (Arvicola scherman). Ihrer großen Vorliebe zum aquatischen Raum, handelte diesen Mäuse auch den Spitznamen "Wasserratte" ein. Osterschermäuse sind mit Ausnahme der Bisamratte, die größte Wühlmausart in Europa und haben eine eher gedrungene Körperform mit langen Schwänzen. Man unterscheidet eine terrestrische (landgebundene) und eine aquatische (wassergebundene) Form. Letztere sind deutlich größer und schwerer. Das glänzende und lange Fell weißt verschiedene Farbschläge auf und reicht auf der Oberseite von dunkelbraun, einem eher seltenen hellbraun bis zu schwarz bei aquatischen Tieren. Die Unterseite ist weißlich oder gelblichgrau. Während landgebundene Exemplare Obstanlagen, Wiesen und Gärten ihre Heimat nennen, finden wir die echten Wasserratten an Flüssen, Bächen und Sümpfen. Gebirgsschermäuse sind gar nicht so anders. Es handelt sich hier allerdings um eine eher kleinere Spezies mit weichem Fell und einem hauptsächlich auf das europäische Hochland und Gebirge beschränkte Verbreitung.
Feldmäuse
Die Wissenschaft ordnet 63 verschiedene Arten dem drolligen Namen Microtus spp. zu. Das sind eine Menge verschiedene Vertreter, die man nur selten oder gar nicht zu Gesicht bekommt. Vorstellen möchte ich jedoch gerne zwei in unserem Raum häufige Bewohner: Die Erdmaus (Microtus agrestis) und die Feldmaus (Microtus arvalis). Nun im Allgemeinen sind die kleinen Tierchen mit Begabung zur zyklischen Massenvermehrung nicht größer als 18 cm und in den Farbschlägen gelblich, rötlichbraun, graubraun oder schwarz anzutreffen. Auch ihre Ohren sind oft viel zu klein um sich aus dem langen Fell aubzuheben. Die 9-12 cm lange Feldmaus finden wir in offenen, landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaften wie Wiesen, Äckern, Weiden aber auch in Dünen und trockenen sehr offenen Kiefernwäldern. Ihr Fell ist oberseites gelblichgrau oder gelblichbraun und unterseits weißlich teilweise auch mit rostfarbenem Anteil. Die 9,5-13,3 cm lange Erdmaus besiedelt dagegen bevorzugt relativ feuchte sowie kühle Lebensräume wie lichte Wälder, Lichtungen, vergraste Schonungen und Feuchtwiesen. Trotz ihrer starken Ähnlichkeit zu Feldmaus ist die Erdmaus größer und das Haarkleid etwas dunkler, lockerer und länger. So ist ihr Fell auf der Oberseite dunkelbraun oder rotbraun jedoch auf der Unterseite weißlich und bei manchen Tieren gelblich übertüncht.
Rötelmäuse
Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch Myodes spp., kennen wir hier in Deutschland wahrscheinlich vor allem die Rötelmaus (Myodes glareolus). Namensgebend ist die rotbraune Rückenfellfärbung der ansonsten eher grauen Tiere, die bei der Rötelmaus bis zum fuchsrot reichen kann. Unten sind sie je nach Art weiß oder grau gefärbt. Hier variiert die Rötelmaus durch ihre oft bräunlichen bis graubraunen Flanken mit meist cremefarbenen Einschlag. Kennzeichnend sind auch die im Vergleich zu anderen Wühlern deutlich erkennbaren, größeren Ohren. Rötelmäuse bewohnen Wälder sowie waldnahe, eher schattige Landschaften aber auch Feuchtgebiete und Lebensräume mit Anbindung zu Fließgewässern. Hier bewohnen sie auch gerne waldnahe Grundtücke mit selten genutzen Scheunen, Gartenhütten, Lagerschuppen oder Holzbauten in die sie ihre Nester bauen.
Bisamratten
Die Bisamratte (Ondatra zibethicus), auch gerne kurz nur Bisam, ist ein Zuwanderer aus der Neuen Welt. Sie ist neu in der Alten Welt, ein Neozoa. In der Biologie verdient sich ein jeder solch einen Titel, wer neu dazugewandert ist. Wenn wir uns mit der Bisamratte beschäftigen, sollte man vorher wissen, das es sich hier nicht im eigentlichen Sinne um eine echte Ratte handelt, sondern um den größten bekannten Vertreter unter den Wühlmäusen. Die rund 35 cm großen Tiere sind von eher gedrungener, rattenartiger Gestalt. Der Schwanz ist lang, fast nackt und abgeflacht. Der dichte, wasserabweisende Pelz unterscheidet sich stark in seiner Färbung und variiert von schwarz über dunkelbraun bis cremefarben. Die Ohren sind wasserdicht verschließbar und sitzen tief im Fell versteckt. Die Bisamratte ist somit ein echter Bewohner aquatischer Lebensräume. Man findet sie in jedem einigermaßen tauglichen Fließ- und Stehgewässer. Sie ist ein ausgezeichneter Schwimmer und Taucher, was sie nicht zuletzt einem speziellem, oberflächenvergrößerndem Haarsaum an den Pfoten verdankt.
Lemminge
Mit den Lemmingen haben wir ein wenig schwereres Familienverhältnis zu klären. Für Interessierte. Man unterscheidet drei verschiedene Gruppen: Die Echten Lemminge (Lemmus spp.), die Waldlemminge (Myopus sp.) und die Moorlemminge (Synaptomys spp.). Ihr Vorkommen beschränkt sich vorallem auf die Holarktis, deren Lebensräume hauptsächlich aus feuchten Tundern, Nadelwäldern, Sümpfen und Hochmooren besteht. Die ganzjährig aktiven Tiere halten sich dabei im Winter unter der Schneedecke auf.
Die Wühlmausgalerie - Zeit zum Anfreunden
Wühlmäuse im Steckbrief
Stichpunkte | Wühlmäuse Arvicolinae | Wild Gardening Awards | |
Wild Gardening Empfehlung | Eine große Familie mit oft ungeliebter Prominenz. Wie gut kennen wir die kleinen Tierchen eigentlich? Will man ein Image andern, hilft es wenn man sich miteinander auseinandersetzt. | | |
Familie | Cricetidae (Wühler) | | |
Beschreibung | Als tag- und nachaktive Tiere variiert ihre Körpergröße zwischen 7-23 cm in der Länge. Auch im Gewicht gibt es große Unterschiede. Eine Masse von 80-200 g ist keine Seltenheit und wird nur getoppt von dem 2600 g schweren Bisam. Ihre Köpfchen sind stumpf und die Ohren sind sehr klein, meist versteckt im Pelz, der farblich von braungrau über rotbraun bis hin zu schwarz variien kann. Wühlmäuse haben mittellange bis kurze schwachbehaarte Schwänze. | | |
Vorkommen | Europa, Asien, Nordamerika | | |
Vertreter | Rötelmaus, Feldmaus, Schermaus, Erdmaus, Bisamratte, Lemming | | |
Anspruch an den Lebensraum | Als Wühler lieben sie leichte bis mittelschwere Böden wie Löss, in die sie ihr Gangwerk eingraben können. | | |
schädlich oder nützlich | In der Landwirtschaft aber auch außerhalb werden sie oft als schadhaft angesehen und vehement bekämpft. | | |
natürliche Feinde | Rotfuchs, Hermelin, Hauswiesel, Schleiereule, Turmfalke (...um ein paar zu nennen) | | |
Namen | Osterschermaus, Wiesenwühlmaus, Berglemming, Bisamratte | | |
Quellen:
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